Selbst wenn ich am Wahlsonntag in Dresden wäre, was nicht der Fall ist, hätte ich Briefwahl beantragt. Das ist so viel praktischer. In Ruhe alles nochmal durchlesen, ganz entspannt ankreuzen, nochmal überdenken, zukleben und weg mit der Stimme!

Alles ganz einfach also, könnte man denken. Wäre da nicht die Macht der Briefträger. Wenn die Briefträger wollten, könnten sie das Ergebniss ganz massiv beeinflussen. Das wäre natürlich nicht legal, aber ein Erlebnis, dass ich vor fünf Minuten hatte beweist das. Beim leeren des Briefkastens halte ich einen DIN A5 Umschlag in der Hand, darauf steht Briefwahl. Normalerweise hätte ich ihn vorm Haus nicht weiter betrachtet, aber ich war verwundert. Nur einer? – mein Liebster hat doch zeitgleich mit mir Briefwahl beantragt? Ein genauer Blick auf den Umschlag. Er gehört dem Nachbarn. Der hat einen ähnlichen Nachnamen und den Briefkasten neben unserem. Achselzuckend werfe ich den Brief in seinen Briefkasten.

Erst als ich die Treppe zu unserer Wohnung hinauf steige, geht mir auf, welche Möglichkeiten und Gefahren so ein falsch eingeworfener Umschlag birgt. Ich hätte an seiner Stelle wählen können. Ob er es gemerkt hätte? Wahrscheinlich schon, denn wenn man Briefwahl beantragt, will man aller Wahrscheinlichkeit nach wählen. Was wäre dann wohl passiert?

Was würde passieren, wenn ein Briefträger beschließt alle Wahlscheine, die er so verteilen sollte, einfach selbst abzuschicken? Oder sie bei der SPD, der FDP oder – ganz gruselig – bei der NPD ablädt?!

Wissen die Männer und Frauen in den schwarz-gelben Autos und auf den schwarz-gelben* Fahrrädern eigentlich, welche Macht sie in den Händen halten?

 

* Die Betonung der Farbe ist ein Stilmittel und NICHT politisch motiviert!