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Blogparade: Versager im Staatsdienst

Nach einer Sendung im ZDFLogin, die den hübschen Titel “Versager im Staatsdienst” trug, entstand auf Twitter und auf einigen recht bekannten Lehrerblogs eine heftige Debatte zu dem Thema. Zum einen fühlen sich viele Lehrer zurecht durch solche pauschalen Anklagen diffamiert. Auf der anderen Seite weiß natürlich jeder, der schon mal Kontakt mit Schulen hatte, dass sie mehr als nur ein Gerücht sind – die schlechten Lehrer. Tätsächlich sind sie schon an ein oder anderer Stelle gefunden worden, man hat ihre Existenz sozusagen bewiesen. In diesem Zusammenhang möchte ich mich gerne an Bob Blumes Blogparade beteiligen, ohne mich allerdings genötigt zu sehen, auf alle vorgeschlagenen Fragen zu antworten.

Zunächst kurz vorweg, ich bin immer noch Studentin und kenne daher verschiedene viele Schulformen überwiegend aus Schülersicht (Grundschule, Orientierungsstufe – gibt es heute nicht mehr – und Gymnasium). Mein Ziel ist die Berufsschule, auch diese habe ich zunächst aus Schülersicht kennengelernt, dieses Wissen aber mit Erfahrungen aus drei Praktika angereichert. Nicht hinzurechnen sollte ich wohl meine vier Monate als Comeniusassistentin in Tschechien. Das Konzept der Berufsmittelschulen, das ich dort kennengelernt habe, gibt es zum einen bei uns nicht, zum anderen bin ich nach einem Einblick in den Lehrerberuf vor Ort nicht sicher, ob ich ihn unter den dort herrschenden Bedingungen erstrebenswert fände. Aber das ist ein anderes Thema.

Zurück zum Thema: Natürlich gibt es schlechte Lehrer. Das würde jeder Schüler, jeder Student, jedes Elternteil und jeder Lehrer unbesehen unterschreiben. Aber gibt es tatsächlich zu viele davon? Und wie viele sind zu viel, was ist noch tragbar? Es gibt in jedem Beruf Menschen, die ihn lieber nicht ausüben sollten, die nicht gut darin sind, dem Unternehmen mehr schaden als nutzen, die unglücklich sind und nur weiter machen, weil sie glauben keine anderen Optionen zu haben. Es gibt schlechte Banker, schlechte Köche, schlechte Floristen, schlechte Maschinenbauer und diese Liste könnte man beliebig fortsetzen. Warum also zerbrechen wir uns so sehr den Kopf über schlechte Lehrer? Zum einen natürlich, weil sie einen so großen Einflussradius haben. Mein Lebensmittelchemieprofessor aus dem 3./4. Semester, dessen Stimme ich wohl nie wieder aus dem Kopf bekommen werde, rief uns regelmäßig in Rage geraten zu: “Sie sind die Multiplikatoren der Gesellschaft! Machen Sie sich das klar!” Wie viele Klassen, wie viele Schüler hat ein einziger Lehrer im Laufe seines Berufslebens? Das zweite Problem ist, dass jeder aus eigener Erfahrung heraus weiß, dass es schlechte Lehrer gibt und meistens auch, was sie ausmacht. Wir sehen den Fehler des Automechanikers nicht, wenn wir nichts von Autos verstehen. Aber jeder weiß instinktiv: bei dem Lehrer habe ich nichts gelernt, der Unterricht macht keinen Spaß, ergo muss er ein schlechter Lehrer sein.

Während meiner eigenen Schulkariere waren es häufig die Englischlehrer, die sich durch herausragende Unlust hervortaten und in deren Unterricht ich wenig bis gar nichts gelernt habe. Ein Manko, dass ich nie ganz losgeworden bin. Aber auf der anderen Seite fallen mir sogar sehr viele Namen von wirklich guten Lehrern ein, meiner Biolehrerin in der Oberstufe verdanke ich, dass ich im Gegensatz zu meinen Kommilitonen kaum Probleme im Studium mit Biochemie und Biologie hatte. Auch wenn ich kein Physik studiert habe, interessiere ich mich immer noch physikalische und naturwissenschaftliche Zusammenhänge, was ohne einen Mittelstufenlehrer vor vielen Jahren vielleicht anders wäre. Wäge ich also in meinen Erinnerungen ab, dann waren die meisten doch zumindest gutes Mittelmaß und ein paar ganz Hervoragende waren auch dabei. Können es da wirklich zu viele schlechte Lehrer sein?

Welchen Anteil das Lehramtsstudium daran hat, wage ich nicht zu beantworten. Unter meinen Kommilitonen haben sich die allermeisten sehr bewusste für das Lehramtsstudium entschieden, aber das mag im Bereich des Berufsschullehramts anders sein, da die meisten von uns eine berufliche Vorbildung haben. Vielleicht wäre noch mehr Praxis sinnvoll und nötig, aber man darf ja auch nicht vergessen, dass wir immerhin mindestens zwei Fächer (oder berufliche Fachrichtungen) und Didaktik studieren müssen und das alles in 10 Semestern. Wirkliche Semesterferien hat man da sowieso nicht so häufig. Ob uns das irgendwann mal zu guten Lehrern macht? Ich hoffe es, welchen Sinn hätte sonst, was ich tue. Aber wer weiß das schon.

Wäre da noch die Sache mit der Verbeamtung. Gerade in Sachsen unter Lehramtsstudenten ein häufig diskutiertes Thema, schließlich verbeamtet der Freistaat nicht. Auch sonst schütteln wir über die Schulpolitik hier bisweilen die Köpfe, wenn fertige Berufsschullehrer auf einmal in Grundschulen gesteckt werden. Ich selber stehe dem ganzen auch immer noch zwiespältig gegenüber. Sicherheit – natürlich. Und Geld ist ja, auch wenn man das ungern ganz offen zugibt, immer ein Argument. Gleichzeitig dieses mulmige Gefühl, dass es auch was mit Einschränkungen zu tun haben könnte. Man sieht, wirklich ernsthaft auseinandergesetzt habe ich mich damit noch nicht. Würde das Abschaffen der Verbeamtung bedeuten es gäbe keinen schlechten Lehrer mehr, weil man denen allen sofort kündigen würde? Daran glaube ich nicht. Wäre dem so, gäbe es auch keine schlechten Ingenieure mehr und ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass es die gibt. Letztendlich wäre es doch wie überall im Leben, es würde vielleicht noch mehr an Vitamin B und gutem Schauspieltalent hängen.

Ich denke, dass es vor allem auch auf die inneren Bedingungen innerhalb der Schule ankommt. Gegenseitiges unterstützen, kollegialer Umgang, eine Atmosphäre in der alle gemeinsam an gutem Unterricht arbeiten. Wenn das vorhanden ist, fallen auch die schlechten Lehrer, die es wohl immer geben wird, nicht so sehr ins Gewicht. – Immerhin schaue selbst ich heute Serien und Filme bisweilen auf Englisch oder habe auch schon mal die ein oder andere englische Originalausgabe eines Buches gelesen.

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2 Comments

  1. Lehrer machen sich auch dadurch zum leichten Angriffsziel, dass sich zu viele von ihnen im Kerngeschäft der Branche kaum auszukennen scheinen. Das provoziert Missbilligung, ist in einem pädagogischen Umfeld Beziehungsarbeit doch eine unerlässliche Kompetenz. Und wir müssen konstatieren, dass gar zu viele Lehrer sich als lausige Beziehungsarbeiter erweisen.

    An zwischenmenschlicher Kompetenz hapert es in dreifacher Hinsicht: 1. Geschenkt, dass Schüler sich mal bloßgestellt und verkannt fühlen. Wenn Lehrer jedoch fast regelhaft die emotionalen Folgen ihrer Aktionen nicht bemerken oder deren Relevanz für das Unterrichtsgeschehen bestreiten, hinterlässt das nur Kopfschütteln. 2. Dass Lehrer nicht alle ihre Schüler in einem solchen Ausmaß bejubeln, wie die Eltern dieser Kinder sich das wünschen würden, erscheint nachvollziehbar. Aber wie kann es sein, dass es so wenigen Pädagogen gelingt, Elterngespräche professionell und zu einem für alle Beteiligten gewinnbringenden Ende zu führen? 3. Wir dürfen im Schuldienst tätigen Lehrern nicht die machtvollen Strukturen des Bildungssystems zum Vorwurf machen. Es erscheint dem außenstehenden Betrachter jedoch zunehmend rätselhaft, dass eine ganze Berufsgruppe fast geschlossen zu den verstörenden pädagogischen Auswirkungen schweigt, die mit den vielfältigen schulpolitischen Wahnsinnstaten (ich spreche hier ausdrücklich für Bayern) für ihre Schüler einhergehen. Wo es zu Wortmeldungen kommt, geht es um die Belange des Berufsstandes oder um organisatorische Themen.

    Die ersten beiden Punkte lassen sich teilweise durch Mängel der Studiengänge oder mit falsch gesetzten Schwerpunkten der berufspraktischen Ausbildungsphasen erklären. – Aber wie ist es möglich, dass aus dem Berufsstand kaum jemand wortgewaltig seine Stimme zum Wohl der Unterrichteten erhebt? Sehr vereinzelt tut dies in Bayern der BLLV, indem er als Schwachsinn tituliert, was man nur als Schwachsinn zu bezeichnen vermag. Und was zu Lasten aller Beteiligten geht, gerade der minderjährigen.

    Soll die ewige Kritik am Lehrer verklingen, müsste sich am Schweigen dieses (so er sich tatsächlich im Staatsdienst befindet) zutiefst privilegierten Berufsstands etwas ändern. Von den in Lohn und Brot befindlichen Pädagogen, und in dieser komfortablen Situation befinden sich beileibe nicht alle ausgebildeten Lehrer, ist zu erwarten, dass sie ihre Stimme vordringlich zum Wohl der Kinder erheben. Ja, zum Wohl der Kinder!

  2. Schlechte Lehrer – ?
    Warum sind sie immer Thema? Schlechte Kaminkehrer, schlechte Ärzte, schlechte Verkäufer – ja, die gibt es alle, genauso wie schlechte Lehrer.
    Die Frage ist nur, wie geht ein Kollegium damit um. Grenzt es sie aus oder werden sie nach ihren Stärken (die haben sie auch) eingebaut.

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