Annas Blog

Tag: Literatur

„Der Künstler, welcher scheinbar mit verderbter Berechnung die betäubendsten und giftigste  Tränke mischt, ist immer viel naiver und unwissender über sich selbst, unverantwortlicher, harmloser, als der Literat es für möglich hält. Dieser ist geneigt, Spekulation und Abgefeimtheit zu sehen, wo der Künstler in aller Unschuld und mit bestem Gewissen seinem Geschmack Genüge tat.“ – Thomas Mann Continue reading

Es gibt Texte von Goethe, die erst nach seinem Tod veröffentlich wurden und die eigentlich zu Faust I (Walpurgisnacht)* gehören. Goethe hat sich hier selbst zensiert, wohl wissend, dass diese “Schweinereien” auf wenig Gegenliebe beim zeitgenössischen Publikum gestoßen wären. Ich möchte euch selbige aber auf keinen Fall vorenthalten, waren diese Passagen doch auch für mich völlig neu.

So rät der Satan jungen Männern und Frauen Folgendes:

„Es gibt zwei Dinge

so herrlich und Groß, Continue reading

Pfingstferien

Kurzer Überblick über die Highlights der letzten Woche:

  • Opern sind bisweilen deutlich alberner als die schlimmsten Soaps. Bestes Beispiel: Mozarts “Cosi fan tutte”. Offensichtlich sah der Regiseur das aber auch so, sonst wären wohl nicht alle Darsteller in Clownskostümen aufgetreten.
  • Probiert: Zwei vegane Kuchen und sie waren beide hervoragend!  Allerdings sollte man keine Angst vor Kalorien haben.
  • Sonstige kulinarische News: Vegetarische Anfänger habens nicht leicht! Aber hier gilt “Was in Vegas (oder in M***) passiert, bleibt in Vegas!” Also sprechen wir nicht drüber.
  • 3D-Bogenturniere machen echt Spaß, solange man das Testosteron-Gehabe der bewaffneten Männer (und einiger Frauen) übersieht.
  • Alte Freundschaften auffrischen ist was Gutes, Schulzeit Gespräche á la “wie hieß der Lehrer noch mal…?” sind aber inbegriffen.
  • Zugfahren kann Spaß machen, muss aber nicht.
  • Berlin bei Regen ist unattraktiv.
  • Ich habe mir mit dem Besuch im Pergamon Museum den Wunsch erfüllt das Ishtar Tor zu sehen und hindurch zu gehen. Das wollte ich schon, seit ich das erste Mal das “Museum der gestohlenen Erinnerungen” von Isau gelesen habe. Das ist zwar schon eine Weile her, aber da ich das Buch sehr oft (zweistelliger Bereich) gelesen habe, ist die Geschichte bei mir immer noch sehr präsent. Leider ist nichts passiert, sonst könnte ich wohl jetzt nicht schreiben. ;)
  • Shakespeare in 90 Minuten ist utopisch. Wusste ich natürlich vorher, aber etwas weniger Klamauk hätte trotzdem nicht geschadet.
  • Sagte ich schon, dass Berlin bei Regen nicht so toll ist?

Jetzt bin ich wieder zu Hause. Leider regnet es auch hier. Der Sommer ziert sich noch. Aber nach drei verschiedenen Betten und vier Zugfahrten ist es schön wieder daheim zu sein!

“Genau!” oder 180 Minuten Literatur mit Zusatzpaket

Als ich noch zum Gymnasium ging, habe ich Ähnliches schon einmal erlebt. Ein Lehrer, der Referate verteilt und dann dem Referenten permanent ins Wort fällt. Natürlich kann und sollte man bei ganz gravierenden Problemen eingreifen. Aber unser Literaturdozent, den ich vor zwei Wochen noch gelobt habe, redet offensichtlich so gerne, dass er Referate für unerträglich hält.

Schon bei Folie zwei im ersten Vortrag sprang er auf und schmetterte “Genau!” durch den Raum. Dies allerdings nicht als Zeichen der Zustimmung, sondern weil die Referentin seiner Meinung nach zu lange bei einem aus seiner Sicht irrelevanten Thema verharrt hat. Danach stieg er in die Diskussion mit ein, fragte hin und wieder mal den Rest der Seminarteilnehmer nach Informationen und redete ansonsten selbst. Die Referentin des ersten Vortrags (90 Minuten) schaffte drei (!) Folien ihrer Präsentation. Vorwiegend stand sie dekorativ vorne im Raum. Setzte sie doch noch einmal an wurde sie “Genau!” unterbrochen und unser Dozent verkündete wieder lautstark seine Meinung. Nebenher diskreditierte er noch unstudierte Theatergänger: “Nehmen Sie mal jemanden, der nicht Germanistik studiert hat – auch solche Leute dürfen ja ins Theater. Ist zwar Schade, aber sie dürfen!” ereiferte er sich. Mit einem Augenzwinkern zwar, aber trotzdem.

In der zweiten Doppelstunde bestand das Referantenteam zu den “Leiden des jungen Werther” aus zwei Studentinnen. Eine davon hat sich das Rederecht merhmals zurückerkämpft. Allerdings nie lange.

Nach 180 Minuten “Werther” und “Götz” und jede Menge “Genau!” habe ich mich wie überfahren gefühlt und war nicht unbedingt begeistert, als er die Referenten für die nächsten zwei Doppelstunden, zu denen auch Lena und ich gehören, noch in seiner anschließenden Sprechstunde sehen wollte. Das ging dann aber recht zugüg, wobei es auch kein Gespräch sondern ein Monolog seinerseits war. Lenas und mein Beitrag bestand aus nicken, mitschreiben und mehreren  “mhm” in größeren Abständen. Da er uns Vorgehen, Literatur und Gliederung diktierte, gab es auch nichts, wozu man hätte Fragen stellen können…

Genau!

Ansonsten bin ich sicher, dass ich auf dieses arme kleine Wörtchen, das viele Deutsche recht inflationär benutzen (meine tschechischen Schüler hat das immer verwirrt, ich benutze es nämlich auch ganz gerne), am Ende des Semesters allergisch reagieren werden. Erste Anzeichen dafür gab es schon gestern:

Ich: “Wir sehen uns dann morgen!”

Lena: “Ge … Richtig!”

Wir mussten beide lachen, aber wir wussten auch, dass wir dieses “genau”  bald ebenso hassen werden, wie wir Phrasen anderer Dozenten zu hassen gelernt haben und nicht mehr werden vergessen können. Den Klang der Stimmen dazu haben wir immer noch im Ohr.

Mein Literaturseminar – eine Reflektion über Vorurteile

Mit der Literaturwissenschaft bin ich im Verlauf meines Studiums zwar das ein oder andere mal konfrontiert worden, aber entweder handelte es sich dabei um Überblickveranstalltungen (“Literatur des Mittelalters” oder “EInführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft” d. h. alle Epochen von Barrock bis Neuzeit in ein Semester gequetscht) oder es waren Spezialseminar wie: “Gregorius von Hartmann von Aue” (auch Mittelalter, ein ganzes langes Semester lang). Ich habe also irgendwie das Gefühl von neuerer Literatur keine Ahnung zu haben (wahrscheinlich zurecht). Martin Walser und Christa Wolf kenne ich dem Namen nach, von Thomas Mann habe ich noch nie was gelesen.

Nur damit ich hier nicht falsch verstanden werde, ich mag Deutsch und unterrichte es gerne und ich lese gerne und viel, nur meistens nicht das, was man nach Meinung von Literaturwissenschaftlern lesen sollte. Mit entsprechendem Grauen habe ich mich in Vorbereitung auf dieses Semster an die Entscheidung gemacht, welches der Literaturseminare, die angeboten werden, ich wohl besuchen sollte. Letztendlich habe ich mich für eine praktikable Lösung entschieden, die nicht auf dem Thema des Seminars begründet liegt. Ausschlaggebend waren: die Zeit und die Tatsache, dass es geblockt alle zwei Wochen stattfindet. Das verschafft mir nämlich in den übrigen ersten Wochen einen freien Montag. Thema: Goethe – Leben und Werk.

Ja, ich gebs zu, ein scheußlicher Titel und bei der Literaturliste (nicht alles aber doch ettliches von Goethe, sowie seine Biographie) kann einem Himmelangst werden. Nichts desto trotz saß ich gestern in diesem Seminar in (mäßig gespannter) Erwartung, was auf mich zukommt.

Was ich dann erlebt habe, war ein Beispiel dafür, wie vorurteilsbelastet wir doch sind und wie sehr sich jeder von uns von Äußerlichkeiten beeinflussen lässt. Ein mittelgroßer, ca. 40 -50 jähriger, dicker Mann betrat den Raum. Er humpelte in die erste Reihe und breitete seinen Sachen dort aus. Er war relativ häßlich, was durch den grauen, ausgewaschenen Pullover, der sich um seinen sehr breiten Rettungsring am Bauch spannte und die schlabrige ausgewaschene Jeans noch zusätzlich betont wurde. Der ganze Kurs schien regelrecht die Luft anzuhalten und beobachtete gespannt und in ängstlicher Erwartung, was passieren würde: “Das ist doch nicht etwa der Dozent?” schwirrte es in den Köpfen der überwiegend weiblich Teilnehmer. Als er sich umdrehte und laut sagte: “So dann können wir wohl anfangen…” sah er wahrscheinlich in ungläubige Gesichter und auf denen geschrieben stand: “Das kann ja heiter werden!”

Und wieder erwarten wurde es heiter. Die Einführung zu Goethe und die Begründung, warum er besagtes Thema ausgewählt hat, war super. Vor allem als er auch noch anfing sich über andere Seminare lustig zu machen. So hatte auch ich mich schon gefragt, welchen Sinn es haben soll, ein Semster lang alle möglichen bekannten Texte nur auf die Gender-Problematik hin zu untersuchen. Oder über Seminare in denen ein ganzes Semster ein Text auseinander genommen wird, deren Ergebniss er dann so beschrieb: “der Text sagt eigentlich gar nicht, aber das ohne es zu wollen” und alle haben herzlich gelacht. Als er dann noch in einer Anekdote zum Besten gab, warum er humpelt war das gesamte Publikum begeistert. Er war in ein Erdloch gefallen bei einer hochphilosophischen Diskussion darüber, in welcher Beziehung der Ring bei Wagner (“Der Niebelungenring”) zu der Rolle des Geldes in Karl Marx “Das Kapital” stehe, dafür erntete er zunächst ungläubige Gesichter und erneute Lacher als er sich darüber aufregte, wie unverantwortlich es sei, auf einem Gelände, wo Menschen über wichtige wissenschaftliche Themen diskutieren und keine Zeit hätten den Untergrund zu betrachten, einfach Erdlöcher offen zu lassen.

Ich denke es wird ein gutes Seminar, wenn auch ein anstrengesdes, denn bis zum nächsten Termin müssen wir schon die ersten beiden Texte gelesen haben (Werther und Götz von Berlichingen) und außerdem ist meine Gruppe (Lena und ich) mit unserem Referat schon in vier Wochen dran (Thema: Sensualismus und das Theater der Gefühle im Kontext von Goethes Rolle am Hof von Weimar. Text: Stella). Aber ich denke es wird ein gutes Seminar, wenn es so weitergeht wie es angefangen hat.

Und nicht zuletzt hat es mir mal wieder gezeigt, wie sehr wir Menschen über ihr Äußeres beurteilen. Der Typ hätte auf einer Parkbank mit ner Bierflasche sitzen können, dasss hätte mich nicht überrascht. Überrascht dagegen hat mich wie und was er uns gestern vermittelt hat. Fazit: Sich seiner Vorurteile bewusst werden und versuchen sie dadurch unschädlich zu machen. Weil vorurteilsfrei ist niemand von uns. (Passenderweise gab es zu dem Thema einen Artikel in der neuen Zeit Wissen, den ich heute morgen zum Frühstück gelesen habe.)

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