Seit gestern Abend bin ich wieder in Dresden, zur Zeit Katostrophengebiet mit Alarmstufe vier. Schon aus Warschau hatten wir über Facebook die Bilder und Statusmeldungen verfolgt und den steigenden Elbpegel in Zahlen beobachtet. Beim Überfahren der Elbe gestern Abend hat man auf einmal ein Bild vor Augen zu den +8,76 Metern.
Beim letzten Jahrhunderthochwasser, dass über Dresden geschwappt ist (ca. zehn Jahre her), habe ich hier noch nicht gewohnt. Ich bin nicht mal sicher, ob ich Dresden sofort auf der Deutschlandkarte gefunden hätte. Jetzt ist die Stadt meine Heimat und auch wenn wir so elbfern und erhöht wohnen, dass uns das nicht betrifft, wollte ich gerne helfen. Problemlos findet man im Netz alle passenden Informationen, wenn man helfen möchte. Fluthilfe Dresden heißt die Facebookseite, die versucht Helfer und Hilfesuchende zu koordinieren. Gefunden war die Seite schnell, etliche meiner Freunde hatten sie schon geliked.
Nachdem alle wichtige Erledigungen des Tages abgehakt waren, ging es von der Uni mit dem Fahrrad Richtung Leipziger Straße. Der entsprechende Post war ca. 30 Minuten alt, die Wegstrecke beträgt bei zügiger Fahrt und Ampelglück etwa 25 Minuten. Vor Ort haben wir dann erstmal gestaunt. Über die vielen Menschen, über das viele Wasser und Unmengen Sandsäcke. Nur zu tun gab es offenkundig gerade nicht mehr so viel. Die Nachricht war inzwischen eine Stunde alt und damit schon passé. Unverdrossen sind wir weitergefahren. Über die überflutete Flutrinne, die vielleicht froh war, mal ihren Zweck zu erfüllen, nach Übigau, wo gerade Arbeit anstand. Allerdings drängten sich auch hier so viele Sandsackstapler, dass wir ernüchtert weiterfuhren. Nach einem Abstecher im Bioladen und dem dringend notwendigen Abendbrot endlich ein aktueller Post +++ Sandplatz cossebaude füllt nun verstärkt Säcke auf… Viele erschöpfte Helfer… Da soll heut noch einiges geschafft werden…+++
Wir überlegten nicht lange. Ein Blick auf Google-Maps: bis zum Sandplatz Cossebaude sind es etwa fünf Kilometer. Als autolose Großstädter haben wir uns also erneut auf das Fahrrad geschwungen und los ging es. Fast wären wir vorbei gefahren, aber schließlich war die Sandsackabfüllstation gefunden. Einige Helfer kamen uns schon entgegen. “Das sind bestimmt die Erschöpften”, dachte ich. Falsch gedacht. Am Sandplatz Cossebaude hatte man beschlossen, das Abfüllen für heute einzustellen. Der Elbpegel stagniert, Tendenz sinkend. “Geht nach Hause Leute und Danke!” Wir waren nicht die Einzigen, die enttäuscht waren. Wir waren auch nicht die Letzten, die kamen und wieder weggeschickt wurden. Liest man die vielen Kommentare auf Facebook, fällt auf, dass es heute auch viele frustrierte Helfer gegeben hat, die eben angekommen wieder weggeschickt wurden. Denn was hier passiert ist ein Phänomen. Wir alle sind Dresdner, wir sind sozial vernetzt und wir wollen dabei sein. Fluthilfe als große Gemeinschaft, als riesiger Flashmop. Etliche Helfer sind heute den aktuellen Posts hinterhergejagt und haben versucht Teil dieser großen Gemeinschaft zu sein. Nicht alle erfolgreich. Wir checken nochmal Facebook. Dem Aufruf +++ RASTHOF DRESDNER TOR BRAUCHT HELFER ZUM SÄCKE FÜLLEN +++ können wir jedenfalls nicht nachkommen. Wieder zu Hause angekommen habe ich nachgeschaut, wo der Rastplatz liegt. An der A4, zu erreichen nur mit dem Auto. Bis wir dort wären, ist die Abfüllstation womöglich schon wieder abgebaut.
Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden. Was hier in den letzten Tagen passiert ist und geleistet wurde, gestützt durch soziale Netzwerke wie Facebook, ist fantastisch. Nie waren wir schneller informiert und zur Stelle. Nie haben wir uns stärker verantwortlich gefühlt, wenn P* R* mit dem Silberelefanten als Profilbild auf Facebook posted, dass in Laubegast an der Donathstraße noch Helfer gebraucht werden. Oder wenn eine Mutter schreibt, dass sie dringend Kleidung für zwei Kinder benötigt, weil sie fluchtartig ihr Haus verlassen musste. Aber es kann auch ein wenig unbefriedigend sein, wenn man als Helfer von Ort zu Ort fährt, wie ein Tourist und nicht dabei sein kann und mitmachen darf, obwohl man doch eben dies so gerne möchte.
Naja, ich bin geduldig. Ich weiß wo morgen früh Brötchen für Helfer geschmiert werden sollen. Mal schauen, ob man mich da haben möchte. Ansonsten müssen ja die vielen Sandsäcke auch wieder weggeräumt werden, wenn (hoffentlich bald) der Pegel der Elbe wieder sinkt. Und da gibt es dann bestimmt noch genug zu tun – für uns Helfertouristen.
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