Annas Blog

Tag: Seminar

Es gibt Texte von Goethe, die erst nach seinem Tod veröffentlich wurden und die eigentlich zu Faust I (Walpurgisnacht)* gehören. Goethe hat sich hier selbst zensiert, wohl wissend, dass diese “Schweinereien” auf wenig Gegenliebe beim zeitgenössischen Publikum gestoßen wären. Ich möchte euch selbige aber auf keinen Fall vorenthalten, waren diese Passagen doch auch für mich völlig neu.

So rät der Satan jungen Männern und Frauen Folgendes:

„Es gibt zwei Dinge

so herrlich und Groß, Continue reading

Über Tigerbananen und die jugendliche Säure der Domina

Aber eigentlich ein Text darüber, wie ich Anerkannte(r) Berater(in) für Deutschen Wein werde.

Es ist kaum zu glauben, aber dieses Zertifikat ist durch ein zweitägiges Seminar mit einem Stundenumfang von ca. 11 Stunden (mit Pausen, inklusive Zeit für den Abschlusstest) zu erlangen. Kostenpunkt 50 Euro, angeboten durch das deutsche Weininstitut, das sich selbst als neutrale Werbeinstitution bezeichnet. Neutral, weil sie deutschen Wein ohne Außnahme bejubeln, Werbung – naja es geht halt nur um deutschen Wein. Ich finde zwar die semantische Kombination von neutral und Werbung sehr fragwürdig, aber das ist schließlich nicht Thema dieses Textes.

Ich weiß, wie ich während des Seminars festgestellt habe, eigentlich eine Menge über Wein. Das ist natürlich bedingt durch mein Studium, aber auch die Folge von persönlichem Interesse. Rotling vs. Rose? – Kein Problem. Herstellung? – Geschenkt! Anbaugebiete? – Musste ich sogar selbst schon mal unterrichten.

Deshalb hier eine kurze Zusammenfassung dessen, was ich trotzdem noch gelernt habe:

  • Die Lebensverlängernde Wirkung von Wein ist minimal (so 1 – 1,5 Jahre behauptet der Mann vom deutschen Weininstitut). Wie sie das wohl erforscht haben? Egal – Fazit des Vortragenden: “Man kann sich mit Wein nicht in die Ewigkeit saufen!” Ach ne, aber in die Seeligkeit vielleicht.
  • Es gibt eine Rebsorte Namens Domina, die nichts mit Frauen in Lack und Leder zu tun hat. Frage an euch: Warum gehen Männer zu einer Domina? (Bitte im Kommentar antworten)
  • Ich weiß jetzt wie Württemberger ihre Gäste behandeln. Wenn der Besuch da ist Trollinger, ist er weg den guten Lemberger. Falls ich mal in Württemberg zu Besuch bin, sollte ich mir das merken. Kann man eventuell die Wertschätzung des Gastgebers dran ablesen.
  • Riechzellen: Hühner haben nur 15, Menschen irgendwas im Millionenbereich und Hunde etliche Milliarden. Der Hund würde die Flasche Riesling also eher finden als ich. Nutz ihm aber nix, er bekommt den Korken nicht raus. Das Huhn, tja da würde jetzt der Spruch mit dem blinden Huhn und dem Korn passen. Eventuell hat es ja Glück.

Gegen Ende gab es eine achtteilige Weinverkostung. Farbe und Aussehen, Geruch und Geschmack sollten ermittelt werden. Ich bin ehrlich, ich trinke gerne Wein und ich weiß was Säure undwas  Süße ist. Auch Gerbstoffe kann ich schmecken. Grobe Zuordnungen wie erdig, blumig oder fruchtig lasse ich mir auch noch gefallen. Aber was ich beim besten Willen nicht schmecken konnte:

  • Jugendliche Säure – wie jetzt jugendlich? Nerviger Teenager oder was?
  • Drops-Note: angeblich ein Fachbegriff dafür, dass man Eisbonbons erschmeckt/erriecht.
  • Tiegerbanane: auch reife Banane (wegen der braunen Streifen) – Tja also süß und etwas fruchtig halt…?
  • Leichte Petrolnote. O-Ton des Seminarleiter: “Denken Sie mal an Feuerzeugbenzin!” – Ja ne, is klar..

Auch sonst habe ich oft eher die Schultern gezuckt, wenn er begeistert “grüne Paprika!”, “eindeutig Quitte!” oder “reifer grüner Apfel!” verkündete. Aufzählen können hätte ich das übrigens auch. Wir hatten ja morgens eine schöne Übersicht bekommen, welche Rebsorte welchen Charakter hat und wozu gut geeignet ist. Dabei waren dann übrigens tatsächlich auch ein paar ganz brauchbare Dinge, die ich noch nicht wusste. Zum Beispiel soll man Blauschimmelkäse lieber mit einem edelsüßen Weißwein trinken statt mit Rotwein. Dass man Fisch gut zu mildem Rotwein trinken kann – oder war es umgekehrt?

Egal, morgen schließe ich das Seminar ab und bin dann anschließend sehr anerkannt. Ahnung habe ich dann allerdings nicht viel mehr als vorher. Und eventuelle Flapsigkeiten in diesem Text bitte ich zu verzeihen, wie gesagt ich musste gerade acht Weine durchprobieren…

Meterologisches

Es gäbe eine Menge Dinge, über die ich schreiben könnte. Da war zum Beispiel die Umweltringvorlesung vom Donnerstag, über die ich schon öfter berichtet habe. Emeritierter Prof aus Leipzig klärt uns darüber auf, wie wir den Kapitalismus retten können. Ich hatte sogar schon eine Überschrift. Und einen Lieblingssatz. “Kapitalismus ist ein irres Zufallsprodukt der Geschichte.” Hat er so gesagt, könnte schon stimmen. Weiß ich alles nicht, von Wirtschaft habe ich einfach nicht genug Ahnung.

Oder ich könnte über mein Team- und Konflikttraining-Workshop schreiben, an dem ich in den letzten beiden Tagen teilgenommen habe. Am lustigsten war das Rollenspiel in dem ich als Chefin einen Mitarbeiter zusammenstauchen sollte, weil er irgendwas noch nicht fertig hat. Der Typ war mindestens einen Kopf größer als ich.

Aber eigentlich beschäftigt mich im Moment nur das Wetter. Bei jedem Blick aus dem Fenster fragt man sich nach über einer Woche Dauerregen, wann denn nun endlich mal wieder die Sonne scheint. Wo der Juni und damit der Sommer bleibt. Wobei, hatten wir denn sowas wie Frühling? Wind und Regen und noch mehr Regen und Wind mit Regen und Regen mit Wind und ab und zu mal ein Gewitter und … Wenn ich genug Holz hätte würde ich eventuell anfangen über einen Bootsbau nachzudenken. So frage ich mich nur immer wieder: Lieber Petrus, wo bleibt die Sonne?

Fremdschämen

Manchmal gibt es wirklich nichts schlimmeres als Lehramtsstudenten, die an den Seminaren von Nicht-Didaktikern herumkritteln. Unter dem Motto ‘Sozialpsychologie für Lehramtstudenten’ werden in dem Seminar Themen wie Agression, Intergruppenverhalten, Stereotypen und Vorurteile behandelt. Letzteres stand für die heutige Sitzung auf dem Programm.

Die junge und sehr motivierte Dozentin hatte zu den 50 Seiten Grundlagentext ein Tafelbild vorbereitet, dass im Gespräch ergänzt werden sollte. Auf einer Präsentation hatte sie zusätzliche Beispiele und Studien vorbereitet. Zugegeben ihre Tafelschrift ist nicht soo toll, aber man kann alles lesen. Ich fands übersichtlich.

Doch schon nach fünf Minuten die erste nicht thematische Meldung:

Studentin 1: “Es tut mir leid, aber ich kann gerade nicht nachvollziehen, worauf sie mit dem Tafelbild hinaus wollen!”

Dozentin: “Naja, wir ergänzen jetzt die Informationen aus dem Text, den sie lesen sollten.”

Studentin 1: “Mhh, ok … .” (Man merkt sie ist unzufrieden, wartet aber noch.)

Zehn Minuten später:

Student 2: “Warum schreiben Sie das jetzt dort hin, ich hätte das dem Oberbegriff xy zugeordnet?!”

Dozentin (ergänzt Querverweis): “So etwa?!”

Student 2: “Ja, wobei wir eventuell noch eine weitere Überkategorie bräuchten!”

Der Typ geht mir schon seit der ersten Veranstaltung auf die Nerven. Da hat er sich beschwert, dass er das alles schon mal gehört hat, weil er doch WISO* im Zweitfach studiert und deshalb ein halber Soziologe ist. Dabei hätte er durchaus ein anderes Psychologieseminar besuchen können. Es zwingt ihn ja keiner, oder?!

Die Dozentin passt das Tafelbild den Wünschen entsprechend an. Doch auch das hilft nicht mehr.

Stundetin 1: ” Also ich hätte das ja anders aufgebaut, wenn sie das vertikal statt horizontal …”

‘Bleibt beim Thema, Leute!’, denke ich, während ich schnell mal checke, in welcher Mensa ich heute was veganes zu essen bekomme. Aber meine Komilitonen sind nicht mehr zu bremsen.

Student 2: “Also in der Didaktik lernt man, dass Tafelbilder …”

Das ist der Punkt, an dem ich nur noch im Boden versinken möchte. Jetzt belehrt er doch echt die Dozentin, wie sie ihr Tafelbild zu machen hat. Mitten im Seminar! Eigentlich sollten wir über Vorurteile und Stereotypen sprechen. Brauchen wir aber nicht. Er erfüllt das vom besserwisserischen Lehramtstudenten und zukünftigen oberschlauen Lehrer** schon ganz prima.

Das traurige daran ist, dass das Duo es tatsächlich geschafft hat, die Dozentin soweit zu verunsichern, dass sie das Tafelbild abwischt und beginnt es neu zu malen. Was für eine Zeitverschwendung! Aber jetzt einfach gehen will ich auch nicht, das verunsichert sie womöglich noch mehr.

Ich harre aus. Tafelbild 2.0 wird übrigens nicht besser. Das infernalische Duo kann sich nämlich bei diversen Begriffszuordnungen nicht einigen “Naja, schreiben sie es mal dazwischen!” – Ja, vieel besser. Ihr werdet bestimmt mal großartige Lehrer! *Seufz*

 

* WISO – auch Wirtschaft und Sozialkunde: ein Fach, das es nicht in allen Bundesländern gibt. In Niedersachsen hieß das Politik, andere sagen nur Sozialkunde dazu. Die Schwerpunkte sind glaube ich auch verschieden, aber dazu kenne ich die Lehrpläne nicht gut genug (wozu auch, mein Zweitfach ist ja Deutsch!).

** Ich weiß natürlich, dass Lehrer nicht alle so sind und Lehramtstudenten schon gar nicht. Aber in den vielen Seminaren, die ich schon hatte, war schon der ein oder andere “Profi-Besserwisser” dabei.

“Genau!” oder 180 Minuten Literatur mit Zusatzpaket

Als ich noch zum Gymnasium ging, habe ich Ähnliches schon einmal erlebt. Ein Lehrer, der Referate verteilt und dann dem Referenten permanent ins Wort fällt. Natürlich kann und sollte man bei ganz gravierenden Problemen eingreifen. Aber unser Literaturdozent, den ich vor zwei Wochen noch gelobt habe, redet offensichtlich so gerne, dass er Referate für unerträglich hält.

Schon bei Folie zwei im ersten Vortrag sprang er auf und schmetterte “Genau!” durch den Raum. Dies allerdings nicht als Zeichen der Zustimmung, sondern weil die Referentin seiner Meinung nach zu lange bei einem aus seiner Sicht irrelevanten Thema verharrt hat. Danach stieg er in die Diskussion mit ein, fragte hin und wieder mal den Rest der Seminarteilnehmer nach Informationen und redete ansonsten selbst. Die Referentin des ersten Vortrags (90 Minuten) schaffte drei (!) Folien ihrer Präsentation. Vorwiegend stand sie dekorativ vorne im Raum. Setzte sie doch noch einmal an wurde sie “Genau!” unterbrochen und unser Dozent verkündete wieder lautstark seine Meinung. Nebenher diskreditierte er noch unstudierte Theatergänger: “Nehmen Sie mal jemanden, der nicht Germanistik studiert hat – auch solche Leute dürfen ja ins Theater. Ist zwar Schade, aber sie dürfen!” ereiferte er sich. Mit einem Augenzwinkern zwar, aber trotzdem.

In der zweiten Doppelstunde bestand das Referantenteam zu den “Leiden des jungen Werther” aus zwei Studentinnen. Eine davon hat sich das Rederecht merhmals zurückerkämpft. Allerdings nie lange.

Nach 180 Minuten “Werther” und “Götz” und jede Menge “Genau!” habe ich mich wie überfahren gefühlt und war nicht unbedingt begeistert, als er die Referenten für die nächsten zwei Doppelstunden, zu denen auch Lena und ich gehören, noch in seiner anschließenden Sprechstunde sehen wollte. Das ging dann aber recht zugüg, wobei es auch kein Gespräch sondern ein Monolog seinerseits war. Lenas und mein Beitrag bestand aus nicken, mitschreiben und mehreren  “mhm” in größeren Abständen. Da er uns Vorgehen, Literatur und Gliederung diktierte, gab es auch nichts, wozu man hätte Fragen stellen können…

Genau!

Ansonsten bin ich sicher, dass ich auf dieses arme kleine Wörtchen, das viele Deutsche recht inflationär benutzen (meine tschechischen Schüler hat das immer verwirrt, ich benutze es nämlich auch ganz gerne), am Ende des Semesters allergisch reagieren werden. Erste Anzeichen dafür gab es schon gestern:

Ich: “Wir sehen uns dann morgen!”

Lena: “Ge … Richtig!”

Wir mussten beide lachen, aber wir wussten auch, dass wir dieses “genau”  bald ebenso hassen werden, wie wir Phrasen anderer Dozenten zu hassen gelernt haben und nicht mehr werden vergessen können. Den Klang der Stimmen dazu haben wir immer noch im Ohr.

on va faire connaissance

Wir werden Bekanntschaft machen .. und zwar mit der franzosischen Sprache, wie uns unserer holländischer (oder besser limburgischer) Französischlehrer heute mitteilte.

Pünktlich zur zweiten Doppelstunde (die beginnt um 9:20) saß ich in einem für 30 Studenten viel zu kleinen Raum im Seminargebäude am Zelleschen Weg. Hier werden vorwiegend Sprachen unterrichtet und nur ab und zu verirrt sich das ein oder andere Seminar oder Tutorium hierher. Ich hatte noch einen Patz mit Tisch in der unbeliebten ersten Reihe ergattert und mir fest vorgenommen nächstes mal ein wenig eher da zu sein. Heute allerdings war das nicht möglich, da mir erst nach dem Frühstück eigefallen war, dass ich für das anschließende Psychlogieseminar einen Text hatte lesen sollen. Den habe ich noch schnell heruntergeladen und dabei sehr zu meinem Entsetzen festgestellt, dass ich es mit vierzig Seiten über die “Methoden der Sozialpsychologie” zu tun hatte. Mein verzweifelter Versuch noch schnell etwas davon zu verarbeiteten endete auf Seite 13. Dann musste ich mich wirklich sputen, Apfel und Wasserflasche, sowie der unverzichtbare Collegblock haben es in den Rücksack geschafft. Das Fädermäppchen blieb einsam auf dem Schreibtisch zurück, aber immerhin gibt es irgendwo in meinem Rucksack immer einen Not-Kuli.

Aber der Sprachlehrer (Dozent ist ja kein so richtig passender Begriff, wenn von Sprachunterricht die Rede ist) kam auch zu spät. Er war mit dem Fahrrad gestürzt. Komisch irgendwie, das alle neuen Lehrer/Dozenten die ich im Moment habe sich dauernt auf die Nase legen. Dieser ist jedenfalls recht sportlich und ich würde so auf mitte fünfzig tippen. Seine pinke (! – er selbst bezeichnete sie als “Rote Fahrradhose”, aber da muss schon Farbenblindheit im Spiel gewesen sein) Röhrenhose war an einem Knie aufgerissen und der arme Mann humpelte. Trotzdem hat er erstmal erzählt, dass er – wie jeder gute Holländer – natürlich zuerst nach seinem Fahrrad geschaut hatte nach dem Sturz. Das war übrigens ganz geblieben.

Von der französischen Sprache haben wir heute vor allem die Aussprache geübt. Dazu hat er alles was in der ersten Lektion dran kommen soll (Stichpunkte wie: Sich vorstelle, …) in Lautschrift an die Tafel geschrieben und wir sollten es aussprechen und raten worum es geht. Dazu muss man ein wenig Lautschrift lesen können, denn obwohl er das ganze natürlich erklärt hat, erleichtert es das erheblich. Ansonsten ging es erstmal nur um das Lehrbuch (schon bei Amazon in Auftrag gegeben) und andere organisaorische Dinge. Ich denke morgen geht es dann richtig los. Ich freu mich schon!

Was ich sonst noch so gelernt habe: Mastrich liegt im Limburger Land, das wiederum gehört zu Holland. Und Menschen die in solchen Gegenden (wie das besagte Drei-Länder-Eck (Holland, Deutschland und Belgien)  aufwachsen haben das Glück ziemlich viele Sprachen schon ziemlich früh zu lernen. Vielleicht sollte ich meine Überlegungen, wo ich später mal leben und arbeiten möchte, anhand solcher Gesichtspunkte treffen … ;)

Mein Literaturseminar – eine Reflektion über Vorurteile

Mit der Literaturwissenschaft bin ich im Verlauf meines Studiums zwar das ein oder andere mal konfrontiert worden, aber entweder handelte es sich dabei um Überblickveranstalltungen (“Literatur des Mittelalters” oder “EInführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft” d. h. alle Epochen von Barrock bis Neuzeit in ein Semester gequetscht) oder es waren Spezialseminar wie: “Gregorius von Hartmann von Aue” (auch Mittelalter, ein ganzes langes Semester lang). Ich habe also irgendwie das Gefühl von neuerer Literatur keine Ahnung zu haben (wahrscheinlich zurecht). Martin Walser und Christa Wolf kenne ich dem Namen nach, von Thomas Mann habe ich noch nie was gelesen.

Nur damit ich hier nicht falsch verstanden werde, ich mag Deutsch und unterrichte es gerne und ich lese gerne und viel, nur meistens nicht das, was man nach Meinung von Literaturwissenschaftlern lesen sollte. Mit entsprechendem Grauen habe ich mich in Vorbereitung auf dieses Semster an die Entscheidung gemacht, welches der Literaturseminare, die angeboten werden, ich wohl besuchen sollte. Letztendlich habe ich mich für eine praktikable Lösung entschieden, die nicht auf dem Thema des Seminars begründet liegt. Ausschlaggebend waren: die Zeit und die Tatsache, dass es geblockt alle zwei Wochen stattfindet. Das verschafft mir nämlich in den übrigen ersten Wochen einen freien Montag. Thema: Goethe – Leben und Werk.

Ja, ich gebs zu, ein scheußlicher Titel und bei der Literaturliste (nicht alles aber doch ettliches von Goethe, sowie seine Biographie) kann einem Himmelangst werden. Nichts desto trotz saß ich gestern in diesem Seminar in (mäßig gespannter) Erwartung, was auf mich zukommt.

Was ich dann erlebt habe, war ein Beispiel dafür, wie vorurteilsbelastet wir doch sind und wie sehr sich jeder von uns von Äußerlichkeiten beeinflussen lässt. Ein mittelgroßer, ca. 40 -50 jähriger, dicker Mann betrat den Raum. Er humpelte in die erste Reihe und breitete seinen Sachen dort aus. Er war relativ häßlich, was durch den grauen, ausgewaschenen Pullover, der sich um seinen sehr breiten Rettungsring am Bauch spannte und die schlabrige ausgewaschene Jeans noch zusätzlich betont wurde. Der ganze Kurs schien regelrecht die Luft anzuhalten und beobachtete gespannt und in ängstlicher Erwartung, was passieren würde: “Das ist doch nicht etwa der Dozent?” schwirrte es in den Köpfen der überwiegend weiblich Teilnehmer. Als er sich umdrehte und laut sagte: “So dann können wir wohl anfangen…” sah er wahrscheinlich in ungläubige Gesichter und auf denen geschrieben stand: “Das kann ja heiter werden!”

Und wieder erwarten wurde es heiter. Die Einführung zu Goethe und die Begründung, warum er besagtes Thema ausgewählt hat, war super. Vor allem als er auch noch anfing sich über andere Seminare lustig zu machen. So hatte auch ich mich schon gefragt, welchen Sinn es haben soll, ein Semster lang alle möglichen bekannten Texte nur auf die Gender-Problematik hin zu untersuchen. Oder über Seminare in denen ein ganzes Semster ein Text auseinander genommen wird, deren Ergebniss er dann so beschrieb: “der Text sagt eigentlich gar nicht, aber das ohne es zu wollen” und alle haben herzlich gelacht. Als er dann noch in einer Anekdote zum Besten gab, warum er humpelt war das gesamte Publikum begeistert. Er war in ein Erdloch gefallen bei einer hochphilosophischen Diskussion darüber, in welcher Beziehung der Ring bei Wagner (“Der Niebelungenring”) zu der Rolle des Geldes in Karl Marx “Das Kapital” stehe, dafür erntete er zunächst ungläubige Gesichter und erneute Lacher als er sich darüber aufregte, wie unverantwortlich es sei, auf einem Gelände, wo Menschen über wichtige wissenschaftliche Themen diskutieren und keine Zeit hätten den Untergrund zu betrachten, einfach Erdlöcher offen zu lassen.

Ich denke es wird ein gutes Seminar, wenn auch ein anstrengesdes, denn bis zum nächsten Termin müssen wir schon die ersten beiden Texte gelesen haben (Werther und Götz von Berlichingen) und außerdem ist meine Gruppe (Lena und ich) mit unserem Referat schon in vier Wochen dran (Thema: Sensualismus und das Theater der Gefühle im Kontext von Goethes Rolle am Hof von Weimar. Text: Stella). Aber ich denke es wird ein gutes Seminar, wenn es so weitergeht wie es angefangen hat.

Und nicht zuletzt hat es mir mal wieder gezeigt, wie sehr wir Menschen über ihr Äußeres beurteilen. Der Typ hätte auf einer Parkbank mit ner Bierflasche sitzen können, dasss hätte mich nicht überrascht. Überrascht dagegen hat mich wie und was er uns gestern vermittelt hat. Fazit: Sich seiner Vorurteile bewusst werden und versuchen sie dadurch unschädlich zu machen. Weil vorurteilsfrei ist niemand von uns. (Passenderweise gab es zu dem Thema einen Artikel in der neuen Zeit Wissen, den ich heute morgen zum Frühstück gelesen habe.)

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