Annas Blog

Tag: Kultur (page 2 of 2)

Ja, aber… = Nein

Die Tschechen sind ein höfliches Volk. Sie sind normalerweise erstmal zu jedem freundlich und schimpfen lieber hinter dem Rücken desjenigen. Das ist nicht böse gemeint, sie wollen ja nur höflich sein und jemandem alles ins Gesicht sagen wäre doch nicht nett, oder?

Diese Woche habe ich außerdem gelernt, dass sie nicht gerne “Nein” sagen. Am Freitag haben wir eine Kollegin gefragt, ob wir nach dem Skifahren eventuell zum Kaffee vorbei kommen dürfen. Ihre Antwort war recht ausschweifig und die Kurzfassung könnte lauten: “Klar kein Problem, aber ich weiß noch nicht ob ich da bin, evtuell bin ich nicht da, aber falls ich da bin gerne.” Im Klartext heißt das “Nein”. War mir nicht sofort klar, aber Jana hat mich darauf hingewiesen, sie wollte es uns nur nicht ins Gesicht sagen. Aber außer mir hat es ja auch jeder sofort verstanden.

Gestern habe ich zwei Kolleginnen, mit denen wir normalerweise in die Kantine gehen, zu der inofiziellen Abschiedsfeier am Donnerstag eingeladen. Sie haben beide “Ja” gesagt und ein ziemlich langes aber hinterher geschoben. Also werden sie nicht kommen. Jana meinte nur: “Naja, dann haben wir schon mal genug Wein da.” Eigentlich hätte ich es verstehen müssen, aber auch hier hab’ ich das nicht sofort kapiert.

Beim Schreiben überlege ich die ganze Zeit, ob ich sowas auch mache. Ich kenne jedenfalls genug Beispiele in meinem Verwandtschafts-/Bekanntenkreis, die sich ebenso Verhalten. Und da regt es mich jedesmal auf. Also Leute falls euch das mal bei mir auffällt, macht mich rechtzeitig drauf aufmerksam, ich will so nicht sein. Ich glaub’, ich bin lieber unhöflich :).

Countdown: Immernoch drei Tage bis zu meiner Abreise.

Národ sobě – Ein Besuch im National Theater

Am Montag hatte ich die Gelegenheit das Tschechische Nationalthaeter mit einer Klasse zu besuchen. Ein Blick hinter die Kulissen (Bühne etc.) wurde uns leider verwehrt. Dafür gab es jede Menge geschichtliche Informationen, Details über Kunstwerke und Plastiken, Grundsteine, die überall aus Tschechien kommen und auch von weiterher (einer kommt sogar aus Chicago, der kam aber zu spät zur Grundsteinlegung an).

Das Nationaltheater ist vor allem darum interessant, weil es ein Symbol für die Tschechen war, sich ihrer eigenen Kultur und Sprache bewusst zu werden. Es war das erste Theater, in dem Stücke in tschechischer Sprache gespielt wurden.

Politisches

Für alle die es nicht mitbekommen haben: am Freitag und Samstag wurde in Tschechien gewählt. Ich mache, dass eigentlich nur zum Thema meines Blogs, weil wir auch im Lehrerzimmer immer wieder darüber diskutiert haben. Die wichtigsten Hintergrundinformationen können sich alle Interessierten auch in der deutschen Presse holen:

http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-01/praesidentschaftswahl-tschechien-schwarzenberg-zeman-fischer

http://www.sueddeutsche.de/politik/praesidentenwahl-in-tschechien-ein-aussenseiter-in-der-stichwahl-1.1571460

http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-01/tschechien-praesidentenwahl-schwarzenberg

Ich möchte nur über meine Eindrücke aus meinem Unfeld hier berichten. Es ist das erste mal, dass die Tschechen ihren Präsidenten direkt wählen und es standen sehr viele Kandidaten zur Auswahl. Deshalb war die Stichwahl, die es in zwei Wochen geben wird auch keine Überraschung. Der tschechische Präsident hat im Grunde ähnliche Befugnisse, wie der bei uns in Deutschland (Repräsentativ, Unterzeichnen von Gesetzen, etc.) aber er hat zumindest in der Vergangenheit seine Befugnisse immer voll ausgeschöpft und damit auch sehr stark in die Politik eingegriffen. Der noch amtierende Präsident ist nicht unbedingt beliebt und schon gar nicht seit er zum neuen Jahr eine Amnestie erlassen hat (http://www.tschechien-online.org/news/19738-verfassungsbeschwerde-wegen-amnestie/), von der vor allem Spekulanten und Wirtschaftskriminelle profitieren, deren Prozesse noch laufen. Am Donnerstag kam im Englischunterricht (ich hatte die vier Klassenbesten) das Thema auf Politik und zwei meiner Schüler haben sich sofort ereifert und lautstark über Politiker im allgemeinen und besonderen geschimpft.

Zurück zur Wahl: Die Favorieten waren zwei ehemalige Komunisten (Zeman und Fischer), Ein Österreichisch-tschechischer Adliger (Schwarzenberg), ein Sozialdemokrat mit dem lustigen Namen “Dienstbier” und ein Professor (sowie Musiker und Künstler Namens “Franz”) der vor allem Dank seiner Ganzkörpertätowierung, die ihn aussehen lässt wie ein grünes Marsmännchen, ins Auge fällt.

Schon im letzten Jahr wurde bei uns im Lehrerzimmer das ein oder andere mal darüber gesprochen, wen man wohl wählen sollte. Doch es war nicht leicht. Nachdem am Donnerstag ein Fernsehduell stattfand, in das ich nur kurz mal reingeschaut hat (NavyCIS auf Tschechisch war spannender) wurden vor allem über Schwarzenberg und Zeman diskutiert. Allein aus meinem Umfeld hätte ich die Prognose also präziser treffen können als es die Meinungsforscher konnten. Den Zeman und und Schwarzenberg sind die beiden, die nun in die Stichwahl gehen. Interessant fand ich follgende Aussagen:

- Schwarzenberg macht die sozialste Politik, obwohl er dem liberal konservativen Lager zugerechnet wird

- Schwrazenberg spricht nicht mal richtig gut Tschechisch, warum sollte man sojemanden als Präsidenten wollen

Man darf also gespannt bleiben, wer in zwei Wochen tschechisches Staatsoberhaupt wird.

 

Ausflug in den jüdischen Teil von Prag

Exkursion vom 9.1. mit der 2.A:

Ich habe (Schande über mein Haupt) zum ersten Mal das jüdische Viertel in Prag bewusst besucht. Es liegt eigentlich direkt am Alstadterring und ich bin durch die Straßen auch schon zum Teil gelaufen, bislang aber immer unwissend.

Wir haben zuerst einen Vortrag über die Sitten und Bräuche der Juden bekommen (Feiertage, Gottedienste, etc.). Die Schüler waren vorallem über die Tatsache entsetzt, dass man am Shabbat kein Fernsehen gucken kann. Ich finde die Idee da hinter eigentlich nicht schlecht. Wann hat der Fernseher jemals dazu beigetragen, dass in einer Familie mehr Kommunikation und Austausch stattfindet. Ich habe zwar nichts gegen einen gemeinsamen Film einzuwenden an Familienwochenenden, permanent aufende Fernseher sind aber etwas schreckliches. (Was ich übrigens auch daran merke, dass ich die Kiste hier viel zu oft laufen habe – einfach weil sie da ist und man dann nicht merkt, dass es so ruhig ist. OK Musik oder Radio fände ich besser, aber Radio habe ich hier keins und Musik aus meinem Laptop ohne richtige Lautsprecher klingt so deprimierend schlecht …)

Anschließend haben wir drei Synagogen und den alten jüdischen Friedhof besucht. Ich habe an Grab von Rabbi Löw gestanden (der mit dem Golem – die Geschichte wurde allerdings nachträglich erfunden) und keine Wunsch hinterlassen. Die Synagogen waren schön bis bedrückend. Die Pinkassynagoge fungiert heute als Denkmal für die im 3. Reich getöteten tschechischen Juden, sämtliche Namen stehen an den Wänden der Synagoge. Die sogenannte Altneusynagoge ist die zweitälteste im Betrieb befindeliche Synagoge außerhalb Israels und in der Spanischen Synagoge (ein Reich ausgeschmücktes Gebäude) kann man sich zugleich über jüdische Kultur und die Deutsch-Tschechische Assimilation dieser Kultur informieren.

Jana meinte heute mal wieder scherzhaft, dass ich ja fast in Prag wohne. Das ist natürlich quatsch, aber ich fahre im Moment (und in den nächsten Wochen) wohl noch recht oft hin und her. Montag bekomme ich die Gelegenheit beim Nationaltheater hinter die Kulissen zu schauen und am Dienstag gehts mal wieder ins Theater.

Hach das Leben ist schön :)

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