Es ein arbeitsreiches Wochenende. Ich bin froh endlich zu Hause zu sein und hundemüde. Allein das wieder Aufstehen vom Sofa, das Zähneputzen, der Weg ins Bett, alles ist mit bleiernen Gliedern so schwer. Der Schlaf scheint zum Greifen nah, mit weit ausgebreiteten Armen wartet er, ich brauche nur noch hineinzufallen. Ich lese noch ein paar Zeilen und mache das Licht aus.

Und plötzlich bin ich hellwach. Unbemerkt habe ich die Grenze überschritten, die die unglaubliche Müdigkeit von dem erneut erwachenden Geist trennt. Der Wunsch zu schlafen ist immer noch da, aber er wird davongespült von einer Flut von Gedanken, Erinnerungen und Bildern. Die Bilder reihen sich aneinander, eine Erinnerung führt zur nächsten. Es ist als würde mir jemand Geschichten aus meinem Leben erzählen. Nur ist es meine eigene Stimme in meinem Kopf. Die Bilder tanzen, der Strom reist nicht ab, es werden immer mehr. Eine Stunde später bin ich wacher als zuvor, habe die Augen aufgemacht und starre an die Decke. Ich will immer noch schlafen. Doch der Schlaf sitz irgendwo in der Ferne und winkt mir freundlich zu.

Und dann kommt der Moment, in dem ich nicht mehr nur euphorisch bin. Meine Gedanken sind so klar wie selten. Mitten im nicht abreißenden Strom dieser Bilder und Gedanken stehe ich und verharre. Trete davon zurück und betrachte sie von außen. Noch immer fließen sie an mir vorbei, aber auf einmal erkenne ich Muster, sehe Zusammenhänge. Alles erscheint einen Sinn zu ergeben. Natürlich nicht das Wohin, aber das Woher liegt auf einmal klar vor mit. Durch meinen Körper schwapt ein chemischer Cocktail aus Endorphinen und Ardrenalin. Und ich erkenne, wer ich bin. Worum ich da stehe, wo ich heute stehe, wie ich der Mensch geworden bin, der jetzt schlaflos im Bett liegt. Alles ist klar. Keine Frage scheint mehr offen. Ich drehe das Bild, füge Aspekte hinzu und noch immer passt es. Es ist Nachts um eins, eingehüllt in Euphorie und Erkenntnis liege ich in der Dunkelheit, kann die wunderbaren Gedanken mit niemandem teilen. Kann sie nur bewundern in ihre Schönheit und Klarheit.

Irgendwann hat sich der Schlaf erbarmt und mich doch noch umarmt. Am nächsten Morgen fällt es mir mehr als nur schwer mich aus dieser Umarmung zu befreien. Als ich mit verquollenen Augen ins Bad torkele und versuche die Müdigkeit von heißem Wasser wegspülen zu lassen, spüre ich noch einen Schimmer der Erkenntnis und der Glücksgefühle, die mich in der Nacht durchströmt haben. Ja wacher ich werde und je mehr der Alltag meine Aufmerksamkeit erfordert, um so mehr schwindet das Gefühl, eine Weile außerhalb meiner Selbst gestanden zu haben. Auch das Verstehen rückt wieder in weite Ferne, sinkt hinab in unbewusste Sphären. Die Worte und Gedanken, die gestern Nacht so klar vor meinem inneren Auge standen, verblasse langsam, wie Tinte auf einem Blatt, dass zu lange in der Sonne gelegen hat. Vom Leuchtfeuer der Schönheit, die ich gesehen habe bleibt ein warmes Glühen zurück.

Aber die Erkenntnis der Selbsterkenntnis ist, selbst wenn nur ein Hauch davon zurückbleibt, die Müdigkeit wert. Schließlich gibt es  ja Kaffee und schwarzen Tee. Oder grünen Tee … Und ich kann auch immer noch versuchen, heute mal etwas früher zu schlafen.